Interview
als PDF

Interview: Berufe der Zukunft

Frage: Frau Hengge, was macht denn eine „Settle-in-Mentorin“ ganz genau?

Antwort: Für Familien, die, bedingt durch Arbeitsplatzwechsel, ständig umziehen müssen, muss das Einleben besonders schnell gehen, damit sich die Familie auch schnell wieder wohl fühlen kann.

Denn wenn eine Familie von A nach B „transplantiert“ wird, womöglich konfrontiert mit neuer Sprache und Kultur, dann ist das ein massiver Einschnitt für alle Familienmitglieder.

Und meine Aufgabe ist es, den Anfangsschock abzufangen und das Einleben zu beschleunigen, indem ich als Begleiter und Mentorin in diesem Prozess zur Verfügung stehe.

Eigentlich geht es darum, den Stress, den die neue Situation mit sich bringt, aus dem „System Familie“ raus zu nehmen, indem sie nicht allein gelassen wird. Kurzum: Wir versuchen, das Einleben in der für die Familie neuen Stadt München so einfach und reibungslos wie möglich zu machen, damit sich alle schnell wieder wohl fühlen können.

Frage: Wer nutzt Ihren Service?

Antwort: Ich nenn’s jetzt einfach mal „International People“, d.h. Familien internationaler Herkunft, deren neuer Lebensmittelpunkt in München liegt.

Frage: Wie entstand die Idee zu Ihrer Dienstleistung?

Antwort: Als ich meinen Lebensgefährten kennen lernte, lebte dieser schon in Italien. Für mich war es ein aufregendes Abenteuer, zu ihm zu ziehen. Ich hatte vorher schon in Paris gelebt und Mailand war für mich eine attraktive Alternative zu München, wo ich damals arbeitete.

Als wir dann allerdings beruflich motiviert umziehen mussten, und das mit zwei Kindern im Schlepptau, und ich mich um die komplette Organisation der Familie, Wohnungssuche, Krankenversicherung, Ummeldung, Kinderarztsuche, Krippenplatz, Judoverein, Schulwahl und –Einschreibung, etc. kümmern musste, stieß ich schnell an meine Grenzen. Und zwar an sprachliche und zeitliche Grenzen.

Und wie oft hätte ich mir gewünscht, einfach kurz jemanden fragen zu können. Nur wen? Wir waren neu, die Nachbarn sah ich nur sporadisch, Kontakte waren noch keine geknüpft... Abgesehen davon, dass ich mir vor der Bewältigung einer anstehende Aufgabe immer erst den dafür notwendigen Wortschatz erarbeiten musste... Egal ob es sich um die Durchführung der alljährlichen Heizungskontrolle oder dem Bestellen eines Ersatzschlauches für den Staubsauger handelte. Und wie viel Zeit habe ich verloren, weil ich nicht wusste, was ich zuerst erledigen musste: Erst Meldebescheinigung und dann Krankenversicherung? Oder erst Steuernummer, dann Krankenversicherung? Oder mit Steuernummer zur Meldebehörde? Und wo war gleich das Schulamt? Wo erstatte ich wegen der geklauten Dokumente eigentlich Anzeige? Parkanwohnerausweis? Warum wollen die für meine deutsche EC-Karte eine fünfstellige PIN??? Ich hab aber nur vier, und so fort und so fort.

Man unterschätzt auch den zusätzlichen Zeitaufwand für „alltägliche“ Dinge, wenn diese alltäglichen Dinge woanders einfach ganz anders gehandhabt werden. Die Bewältigung des Alltags ist viel zeitintensiver. Immer suchen, immer fragen, Wege und Fahrten umsonst... immer mit Kindern rein, Kinder raus...

Frage: Also entstand die Geschäftsidee aus ihrer eigenen Not?

Antwort: Not ist übertrieben, aber Erfahrung - ja klar. Die Zeit und Energieersparnis wäre groß gewesen. Wenn man jemanden fragen kann, wo man Kinderschuhe bekommt und gleichzeitig gut parken kann. Oder, dass man nicht gleich die Polizei rufen muss, nur weil man einen Auffahrunfall hatte.

Ich hätte mir ehrlich gesagt auch viele Peinlichkeiten ersparen können. Heute lacht man darüber, aber ich habe mich, allein durch falsche Wortwahl (manchmal reicht dafür ja schon ein falscher Artikel) in unglaublich peinliche Situationen gebracht und habe mich oft der Lächerlichkeit preisgeben. Das zehrt nicht nur am Selbstbewusstsein, das zehrt auch an den Nerven.

Einfach mal jemanden an meiner Seite, der mich begleitet und unterstützt, egal in welcher Hinsicht – als Übersetzer, als Erklärer, als Fachmann, als Zeiger, als Vormacher, als Freund, den es dort noch nicht gibt.

Frage: Und wie stellt sich das nun in Ihrem Unternehmen dar?

Antwort: Hinter mir steht ein Team von Mitarbeiterinnen, so dass wir in unserer Betreuung alle fünf europäischen Hauptsprachen abdecken können. Das heißt, die Sprachbarriere, die oft einer Kontaktaufnahme im Weg steht, haben wir von vornherein eliminiert. Im besten Fall kann jeder in seiner Muttersprache mit uns reden, in der er sich sicher und zu Hause fühlt.

Wir arbeiten auf Basis der Mitgliedschaft. D.h. im Rahmen einer monatlichen Mitgliedschaft können jederzeit telefonisch oder per Email Anfragen jeder Couleur von den Mitgliedern an uns gerichtet werden. Gerade für diese kurzen Fragen, von denen ich zuvor sprach, eignet sich diese Methode unheimlich gut. Die meisten Angelegenheiten können in einem relativ kurzen Gespräch erläutert werden, sparen dem Betroffenen aber unheimlich viel Zeit und Umwege.

Ich will’s mal an einem simplen Beispiel verdeutlichen: In Italien bewirbt man sich zentral bei der Comune um einen Kindergartenplatz. Den man dann zugeteilt bekommt. So, jetzt ist die Familie neu in München und woher soll sie wissen, dass das hier ganz anders läuft? Im besten Fall hat der Relocater die Anmeldung noch erledigt, aber wenn nicht... dann geht nämlich die Rennerei los. Die Suche nach Kindergärten in der Umgebung, das Telefonieren - in der neuen Sprache übrigens die schwierigste Kommunikationssituation – das Briefeschreiben, das Vorstellungsgespräch bei den Betreuerinnen – mit den quengeligen Kindern unterm Arm... Ja und woher soll man eigentlich wissen, ob der Kindergarten überhaupt einen guten Ruf hat, wenn man neu ist?

Neben dem Telefon- und Email-Service stehen wir auch für persönliche Unterstützung (sei es beim Arzt, beim Gang zu irgendeiner Behörde oder nur in der Werkstatt beim Winterreifenwechsel) zur Verfügung. Im persönlichen Kontakt kommen noch viel mehr Problematiken und Aufgabenstellungen ins Spiel, und deswegen bin ich froh, so vielseitige Mitarbeiterinnen an meiner Seite zu haben. Für mich spielte nicht die Gradlinigkeit ihres Lebenslaufes eine Rolle, im Gegenteil. Jedenfalls sind sie nicht nur mehrsprachig und weltoffen, sondern haben alle fundierte Coaching-Erfahrung, die sie in ihren Einsätzen auch immer wieder brauchen.

Ein Umzug wirbelt ein bis dato funktionierendes System durcheinander und nur wenn sich dieses in der neuen Umgebung schnell wieder stabilisieren kann, geht alles für die Beteiligten relativ glatt. Einen Coach oder Mentor an der Seite entlastet.

Natürlich sehen wir immer wieder auch, dass ein Umzug, neben dem Abenteuer und der Herausforderung, auch eine große psychische Belastung darstellt. Er geht einher mit dem Verlust von Gewohntem, dem Gefühl von Isolation, Überforderung, Einsamkeit. In manchen Fällen kommt es zur massiven Ablehnung der Umgebung durch die Kinder, der Abkapselung, dem Streit unter den Partnern. Fast immer ist es die Frau, die dem Mann hinterher zieht – in diesen Familien ist die Rollenverteilung meist noch sehr klassisch. Falls nicht, und die Frau gar ihre Arbeit durch den Umzug aufgeben musste, oder die Kinder Schwierigkeiten haben – dann bin ich um meine Coaching-Kolleginnen mehr als dankbar. Wenn es darum geht, rechtzeitig Handlungsbedarf zu erkennen und den Betroffenen Hilfe anzubieten oder zu vermitteln, dann sind sie unschlagbar wertvoll. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ein Coach entlastet. Und er entlastet und stabilisiert das ganze System Familie in einer vorübergehenden fragilen, destabilen Phase. Das ist einfach so.

Frage: Also eine sehr vielseitige Tätigkeit?

Antwort: Ja, unbedingt. Vielseitig und befriedigend. Jeder ist anders, jeder erlebt so eine Situation anders. Es ist immer wieder eine Herausforderung für uns, uns mit den Klienten und Klientinnen vertraut zu machen. Ihre Lage zu erspüren. Vertrauen herzustellen und es uns dann durch unsere Beratung auch zu verdienen. Sensibel mit deren Ängsten und Hemmungen umzugehen. Einfach den Impakt abzumildern und die „Landung“ in der Stadt angenehm zu gestalten.

Frage: Wenn Sie sich etwas für die Zukunft wünschen könnten, was wäre das?

Antwort: Oh, das ist einfach. Eine HOMEBASE in jeder Millionenstadt der Welt, dann würde ich alle zwei Jahre umziehen. Und kein einziges graues Haar mehr deswegen bekommen!

Nein im Ernst: Ich wünsche mir Arbeitgeber, die zunehmend Settle-in-Mentoren für die Familien ihrer kostbaren Spezialisten buchen. Die wissen, dass die Leute sich nur wohl fühlen und bleiben, wenn es ihren Familien gut geht. Und dass unser Abo bald zum „Welcome-Package“ eines jeden neuen Mitarbeiters gehört, weil Unternehmen erkennen, welchen Wettbewerbsvorteil um die knappe Ressource „Spezialist“ ihnen dieses Zuvorkommen sichert.

Ihr Ansprechpartner:

Monika Hengge
NEWCOMERS HOMEBASE
Bürgermeister-Prenn-Str. 46
82008 Unterhaching b. München
Tel.: +49 (0)89 69309972
www.newcomers-homebase.de
Email: